Mediziner in den USA haben ihre Studie zur Diätpille Contrave, die gerade in Europa unter der Bezeichnung Mysimba die Zulassung erhielt, vorzeitig eingestellt.
Grund: Der Hersteller ist mit dem Vernehmen nach sehr günstigen Ergebnissen bereits an die Öffentlichkeit gegangen.
Bei der Diätpille Contrave sind Naltrexon ein Opiatantagonist und Bupropion ein Antidepressivum miteinander kombiniert. Bei beiden handelt es sich um zugelassene Wirkstoffe mit Nebenwirkungen, die bekannt sind. Trotzdem konnte der Hersteller das Medikament in den USA 2011 nicht zur Zulassung führen. Die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) hatte Befürchtungen, dass ein möglicher Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz auf lange Sicht das kardiovaskuläre Risiko erhöhen könnte.
Deswegen forderte die FDA als Zulassungsvoraussetzung eine randomisierte klinische Studie mit 10.000 Teilnehmern. Diese Studie sollte beweisen, dass die Rate von schwerwiegenden unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen bei einer langfristigen Einnahme von Contrave nicht wesentlich steigt. Gemeinsam mit der Konzernmutter begann Orexin dann im Jahr 2012 mit dieser Studie, die eigentlich noch bis 2017 laufen sollte.
Letztes Jahr im Herbst war die Zulassungsbehörde jedoch bereit, Contrave zuzulassen. Als Begründung wurden die ersten Zwischenergebnisse der seit 2012 laufenden Studie genannt. Auch die europäische Zulassungsbehörde (EMA) schloss sich der Auffassung der FDA an und erlaubte die Zulassung von Contrave unter der Bezeichnung Mysimba.
Die Zwischenergebnisse aus der Studie, die auf den Daten von 2.500 Studienteilnehmern beruhten, schlossen aus, dass Contrave zu einer Verdopplung des Risikos von MACE führte.
Zudem kam die Studie zu dem Ergebnis, dass die MACE-Rate um mehr als 40 Prozent niedriger war, als bei Teilnehmern, die ein Placebo einnahmen. Somit konnte für Contrave sogar ein Zusatznutzen nachgewiesen werden. Während die Gewichtsreduktion in den klinischen Studien nur bei circa vier Prozent lag, gehen die Hersteller nun davon aus, dass das Medikament langfristig Schutz vor Herz- und Schlaganfall sowie deren Folgen bieten könnte.
Obwohl die Studienleitung Warnungen aussprach, informierte der Hersteller die Zulassungsbehörde und beantragte ein Patent für sein Produkt. Das könnte einerseits später den Kurs der Aktie steigern und andererseits die Herstellungsrechte sichern.
Diese Tatsache führte zu Ärger bei der Studienleitung. Sie hatten die Befürchtung, dass Studienteilnehmer jetzt die Therapie verweigern, weil sie ein Placebo bekommen anstelle eines Medikaments, das vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen kann. Ein Studienabbruch und das vorzeitige Ende waren absehbar, so wie es der Hersteller und die Leitung der Studie jetzt auch in Cleveland bekannt gegeben haben.
Mittlerweile liegen Daten von ungefähr der Hälfte der Studienteilnehmer vor, die relativieren die Erwartungen des Herstellers deutlich. Bisher kam es zu 192 Fällen von MACE.
Davon waren 90 Fälle bei den Studienteilnehmern, die Contrave einnahmen und 102 bei denen, die das Placebo erhielten. Die Minderung des Risikos liegt auf Basis dieser Ergebnisse nicht bei mehr als 40 Prozent, sondern lediglich bei 22 Prozent. Das entspricht einem Hazard Ratio von gerade 0,88.
Der Unterschied war nicht signifikant, wenn von einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,66 bis 1,17 ausgegangen wird. Hinzukommt: Bei Addition der Todesfälle, die nicht aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen waren auf die bekannten Zahlen, bleiben am Ende gerade fünf Prozent übrig. Diese Zahlen lassen dann Experten den klinischen Nutzen der Therapie bezweifeln.
Betroffene bezweifeln sowieso, dass eine Pille geeignet ist, ihre Gewichtsprobleme in den Griff zu bekommen.
Noch wird Adipositas wird in der breiten Bevölkerung nicht als Krankheit angesehen. Dementsprechend gering ist die Bereitschaft, ein Medikament dagegen einzunehmen, dass auch Risiken und Nebenwirkungen hat. Dementsprechend ist der wirtschaftliche Erfolg der insgesamt vier in den letzten Jahren zugelassenen Diätpillen eher bescheiden.
Wegen der ominösen Zwischenauswertung darf der Hersteller wahrscheinlich auch nicht mit dem Zusatznutzen des Medikaments werben. Die FDA hat den Hersteller zudem beauflagt, zeitnah eine Anwenderbeobachtung durchzuführen.
Quelle: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62805/Diaetpille-Contrave-Studienabbruch-nach-vorzeitigen-Ergebnissen